Der § 175 StGB
§ 175 StGB : Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
Der Paragraph 175 Strafgesetzbuch stellte einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern in Deutschland bis 1994 unter Strafe.
In der NS-Zeit wurden zehntausende schwule Männer verhaftet, mehrere Tausend in Konzentrationslagern ermordet. Mit dem § 175 StGB in seiner von den Nationalsozialisten 1935 verschärften Fassung wurden in der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 1969 mehr als 100.000 schwule Männer verfolgt und 50.000 verurteilt. Die Polizei führte sogenannte Rosa Listen.
Für Generationen schwuler Männer hatte das Leben mit dem Paragraph 175 schwere Folgen. Diese wirken in der älteren Generation bis heute nach. Razzien, Denunziation und ständige Angst gehörten für schwule Männer zum Alltag. Ein offen schwules Leben war nicht möglich. Denunziation und damit einhergehende Berufsverbote und Entlassungen reichten vielfach für den Verlust der bürgerlichen Existenz aus. Schwule Männer wurden sozial geächtet und ausgegrenzt.
Schwule Männer, die in der Bundesrepublik aufgrund des § 175 StGB verurteilt wurden, müssen weiterhin damit leben, dass sie als Straftäter gelten. Bis heute sind die Urteile nicht aufgehoben und die Opfer nicht entschädigt.
Chronologie:
1935
Verschärfung des § 175 RStGB vom Vergehen zum Verbrechen homosexueller Handlungen zwischen Männern durch die Nationalsozialisten mit der Begründung der „sittlichen Gesunderhaltung des Volks“
1949
Beschluss des Berliner Kammergerichts in der DDR zur Anwendung des § 175 RStGB in der von den Nationalsozialisten verschärften Form von 1935
1949
die Paragraphen 175 und 175a StGB werden in der nationalsozialistischen Fassung von 1935 offiziell in das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland übernommen
1957
praktische Außerkraftsetzung des § 175 in der DDR durch ein Strafänderungsgesetz, dass von der Strafverfolgung bei Fällen nach § 175 StGB absieht
1968
Änderung des § 175 StGB in der DDR zu § 151 StGB
1969
Entschärfung des § 175 StGB in der BRD auf die Strafbarkeit homosexueller Handlungen mit dem „Schutzalter“ von 21 Jahren
1987
Aufhebung und Streichung des § 151 StGB durch das Oberste Gericht der DDR, da Homosexualität wie Heterosexualität eine Variante der Sexualverhaltens darstellt. Die Urteile bleiben rechtskräftig.
1994
Aufhebung und Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland. Die Urteile bleiben rechtskräftig.
2002
Aufhebung der Urteile nach § 175 RStGB zwischen 1935 und 1945 durch das Gesetz zur Aufhebung von nationalsozialistischen Unrechtsurteilen in der Strafrechtspflege
2015
Beschluss der 86. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder zur „Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer von Strafverfolgung wegen homosexueller Handlungen“
2015
Beschluss des Bundesrates für „Maßnahmen zur Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 und in beiden deutschen Staaten gemäß §§ 175, 175a Nummer 3 und 4 des Strafgesetzbuches und gemäß § 151 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik verurteilten Menschen“
2016
Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt fest, dass der § 175 StGB grundgesetzwidrig war und die Aufhebung der Urteile sowie Entschädigung der Opfer gesetzgeberische Pflicht ist.